Bairisch schreiben — eine Herausforderung für Autoren

14. Juni 2022

Pia Wendlinger, Schülerin des Gymnasiums Landschulheim Marquartstein, Abiturjahrgang 2022, hat im Rahmen des wissenschaftspro­pädeutischen Seminars das Thema „Heraus­forderungen für Dialektautoren Bairisch zu schreiben und ihre Lösungsversuche" bearbei­tet.

Eingangs hat sie einen Satz aus dem „Kleinen Prinz" von Antoine de Saint Exuperie ins Bairi­sche übersetzt; dafür gab es mehrere ganz unterschiedliche Übersetzungsmöglichkeiten. Aufgrund dieses Beispiels wurde deutlich, dass Schriftdeutsch nicht Wort für Wort ins Bairische übersetzt werden kann; Bairisch hat seine eigene Grammatik und Satzstruktur, die der Übersetzer beachten muss. Darüberhinaus ist es ist nicht eindeutig, wie Bairisch geschrieben werden kann, und es gibt keine einheitliche Rechtschreibung.

Da stellt sich zunächst die Frage, warum muss man Dialekt schreiben. Eine Antwort ist:

„Durch einen Verzicht auf das Bairische ginge wesentliches verloren." (Thomas Bogenberger) oder „Im Dialekt kann ich mich oft besser aus­drücken und erreiche den Leser besser." (Ro­bert Gapp)

Für bairische Wörter gibt es meistens mehrere denkbare Schreibweisen. Ein Mundartdichter muss sich diese genau überlegen, sie soll einerseits lesbar und verständlich, andererseits nah am gesprochenen Wort sein. Eine einmal gewählte Schreibung ist dann auch beizube­halten.

Wer alle Laute korrekt darstellen möchte, hat die Möglichkeit, auf eine Lautschrift zu­rückzugreifen, damit wird der Text schwer lesbar. Ein Ausweg wären einige Sonder­zeichen wie z. B. das ä für das dumpfe a in Gras = Gräs, was = wäs usw.

Schwierig wird es aber bei Wörtern, die es nur im Bairischen gibt, z. B. s Noagei. Eine schriftdeutsche Über­setzung passt meis­tens nicht, da bleibt nur, dass der Schrei­ber Unverständnis riskiert oder am Schluss des Textes ein Glossar schreibt.

 

Eine Entscheidung steht auch bei neueren Wörtern an, die erst in den letzten Jahren und Jahrzehnten aktuell geworden sind, wie „Akkuschrauber" oder „Tablet". Für all diese Dinge gibt es im Bairischen oft kein eigenes Wort, deshalb wird sowohl im Gesprochenen als auch im Geschriebenen entweder komplett darauf verzichtet oder das hochdeutsche Wort wird verwendet.

Die Arbeit behandelt auch Fragen der Gram­matik wie z. B. das fehlende Imperfekt oder den bairischen Konjunktiv, der als Höflichkeits­form zu sehen ist, den Apostrophen und Fra­gen der Regionalität.

Zum Schluss kommt die Verfasserin u. a. zu folgendem Ergebnis: Bairisch schreiben bleibt immer ein Balanceakt zwischen Verständlich­keit und dem gesprochenen treuen Bairisch.. Jeder der einzelnen Lösungsversuche ist mehr auf der einen oder anderen Seite angesiedelt. Obwohl alles Bairisch ist, kommen komplett andere Formulierungen, Schreibweisen und eben Texte heraus, je nach Art der Literatur, Zielgruppe und anderen Gründen. Das sieht man sehr deutlich an Thomas Bogenberger und Robert Gapp. Es war interessant zu se­hen, wie unterschiedlich ihr geschriebenes Bairisch ist und wie anders es auf den Leser wirkt, obwohl es dieselbe Sprache ist. Jede Form hat ihre Berechtigung, es gibt kein Rich­tig oder Falsch und auch kein Besser oder Schlechter.

Als Beispiel für die Unterschiedlichkeit von Autoren stehen Thomas Bogenberger und Robert Gapp. Der eine reduziert sein Bairisch zugunsten der Lesbar­keit, der andere ist seiner Sprache und Aussprache treu, ist dafür schwieriger zu lesen. Die Verfasserin hat ihrer Arbeit zwei In­terviews mit den beiden Autoren angefügt, in der diese Ihre Bewegründe und Ziele darstellen, die bei der Wahl der Schreibweise maßge­bend waren.

Red.
Die Seminararbeit hat
Robert Gapp der Redak-

tion mit Einverständnis
der Verfasserin zur Ver-

fügung gestellt.